Berliner Zeitungsviertel

4Aus Ullstein wurde Deutscher Verlag

Goebbels hatte es auf die „Redaktionssynagogen“ abgesehen

Im Zuge der Gleichschaltung der Presse im ganzen Reich hatten es die Nationalsozialisten vor allem auf die „Redaktionssynagogen“ (Goebbels) im Berliner Zeitungsviertel mit ihrer nationalen und internationalen Reichweite abgesehen. Die liberal-demokratischen Blätter aus den Häusern Ullstein und Mosse mit ihren jüdischen Verlegern und Journalisten waren den braunen Machthabern ein Dorn im Auge. Die Familie Ullstein musste 1934 – nach dem Ausscheiden der letzten jüdischen Mitarbeiter – den Verlag zu einem Zehntel des Verkehrswertes an die braune Cautio GmbH verkaufen. Die meisten der Familienmitglieder emigrierten in die USA.

1937 benannten die Nazis die Ullstein Verlag AG in Deutscher Verlag AG um. Jetzt wurde von der Kochstraße aus die NS-Ideologie verbreitet, die man vorher mit den Mitteln des scharfzüngigen Wortes bekämpft hatte, aber nicht verhindern konnte. Sogar Titel wie Die Braune Post erschienen im ehemaligen Ullstein-Verlag.

Durch den schweren amerikanischen Luftangriff am 3. Februar 1945 auf die Mitte Berlins und das Zeitungsviertel wurde auch der ehemalige Ullstein-Komplex völlig zerstört. Nur das von Ullstein 1925/1926 gebaute Druckhaus Tempelhof war weitgehend unversehrt geblieben. Hier wurde am 23. April 1945 die erste Nummer der letzten Zeitung der Reichshauptstadt gedruckt. Der Panzerbär – Kampfblatt für die Verteidiger Groß-Berlins war ein als Zeitung verkleidetes Flugblatt mit perversen Durchhalteparolen. Als am nächsten Tag die sowjetischen Granaten bereits rings um das Druckhaus Tempelhof einschlugen, wurde Der Panzerbär in den Ruinen des Ullstein-Hauses an der Kochstraße hergestellt. Die letzte Nummer mit dem Datum vom 29. April wurde zwar noch gedruckt, aber nicht mehr verteilt. „Wo der Führer ist, ist der Sieg“ titelte das Kampfblatt auf Seite 2 oben.

Der „Führer“ nahm sich am 30. April das Leben. Das Zeitungsviertel lag in Schutt und Asche.

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Zeitungstitel aus dem Deutschen Verlag zu Beginn des Zweiten Weltkriegs