Berliner Zeitungsviertel

14Scherl – der exzentrische Zeitungskönig(1)

Ein Adelstitel vom Papst für die Schützenliesl

August Scherl war der exzentrischste der drei Großverleger, er hatte Macht und Einfluss, sein Lokal-Anzeiger wurde zusehends kaisertreuer und regierungsfreundlicher, Scherl trat als Zeitungskönig auf. Nur zu Gesicht bekam man ihn kaum, er wurde menschenscheu und zog sich zurück. Seine Verschwendungssucht war Stadtgespräch in Berlin; man hielt ihn schlichtweg für verrückt. Für seine zweite Frau ließ er eine schlossartige Villa im Grunewald bauen und sie kurzerhand wieder abreißen, als sie ihr nicht gefiel. Ein neuer Palast wurde errichtet, in dem man auch selten residierte. Außerdem kaufte der Protestant der Katholikin für eine Million Mark vom Papst einen Adelstitel, von dem sie nie Gebrauch machte. „Theresa di Scherl“ war ein Tiroler Bauernmädchen, das dem österreichischen Maler Franz von Defregger Modell für sein Bild „Schützenliesl“ gesessen hatte. Nach dem Tod seiner ersten Frau Flora 1885 sah Scherl das Bild in einer Illustrierten, ermittelte den Namen des Modells, Tochter eines Tischlermeisters in Kufstein, fuhr im gemieteten Sonderzug hin und heiratete sie.

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August Scherl